Gleich mal vorweggenommen: ich kann Reden wie ein Wasserfall, ich liebe Wortspiele, ich provoziere gerne mit Worten und so mancher Zeitgenosse tut sich mit meiner Art, Worte zu benutzen, schwer.
Und ich mag es auch sehr, wenn jemand frei und lebendig aus seinem Bauch heraus einfach drauflosredet, „wie ihm der Schnabel gewachsen ist“.

Und doch würde ich manchmal gerne in einer Welt leben, in der Menschen noch keine Worte hatten.
Die Fähigkeit zu Reden, ist für mich Fluch und Segen zugleich.
Der Segen liegt für mich v.a. in der Möglichkeit, mehr und mehr differenzieren zu können. Für mich alleine, in meiner Arbeit, im Kontakt mit Menschen. Da, wo es auf Exaktheit ankommt, ist Sprache wirklich super. Wissenschaft ohne Sprache wäre undenkbar.
Der Fluch liegt für mich in dem extrem hohen Potenzial an „Missverständnissen“ und an Manipulation durch Sprache. Also in ihrer Wirkung als (emotional wirkender) AUSLÖSER von Kommunikationsstörungen und als Druckmittel, nicht als Mittel zur Kommunikation.

Inwieweit die Sprache als soziales Kommunikationsmittel wirklich förderlich und geeignet ist, betrachte ich immer noch mit großer Skepsis.

Ich meine das Folgende nicht als absolut, sondern beobachte es einfach sehr oft in der Öffentlichkeit und auch bei mir selbst.

Die einen Reden immer das Gleiche, völlig Bedeutungsloses, Oberflächliches, es findet aus meiner Sicht überhaupt keine wirkliche Kommunikation, keine Begegnung statt, nur ein „sich ergießen“ in abwechselnden Monologen. Die Menschen sitzen zusammen, doch was TUN und TEILEN sie da wirklich?
Ich will da jetzt nicht einem gewissen Maß an (natürlichem?) Small Talk seine Bedeutung als „Ouvertüre“ für eine tiefere Begegnung absprechen.
Wir benutzen Worte dabei im Grund erst einmal für das Gegenteil von Kommunikation: es ist eher ein sich gegenseitig „abchecken“, man vermeidet damit erst mal eine wirkliche Begegnung.
Und nur zu oft bleibt es bei der Ouvertüre. Nach meinen Beobachtungen.
Man füllt dabei im Grunde nur den „unbekannten Raum“ zwischen sich und dem anderen mit Worten auf, um keine unangenehme oder unter Umständen gefährliche Stille aufkommen zu lassen.

Die anderen manipulieren mit Worten, sie wissen um die Wirkung ihrer Worte, weil sie genauer auf die Reaktion ihrer Mitmenschen hinsehen und Menschen damit mehr oder weniger dazu bringen, dass zu tun, was sie, die „Wort-Werkzeug-Nutzer“ möchten. Sie missbrauchen die „Macht des Wortes“.
Auch Therapie stellt eine Form von „Wort-Werkzeug-Nutzung“ dar, ich nenne es hier nur nicht Manipulation, weil das Ziel Begleitung und Unterstützung des Gegenübers ist und nicht das Herausziehen von Vorteilen für sich selbst. Die Gefahr dazu besteht aber auch in der Therapie ganz real.

Weitere benutzen die Worte von anderen, um sich ständig verletzt, ungeliebt, abgeschoben und sonst wie „missverstanden zu fühlen“. Um keine Selbstverantwortung übernehmen zu müssen.

Wieder andere benutzen Worte tatsächlich nicht mehr nur als eben auch missbräuchlich genutztes Werkzeug, sondern schon direkt als Waffe: um dem anderen Angst ein zu flössen, ihn unter Druck zu setzen, ihn einzuschüchtern, ihn „fertig zu machen“.
Kinder leiden darunter in besonderem Maß. Sie können sich zu null Prozent dagegen wehren.

Ich beobachte und erlebe also in der Nutzung der Sprache – was den sozialen und emotionalen Bereich anbelangt – bisher mehr ihre Wirkung als „Kommunikations-Störungs-Mittel“ und „Begegnungs-Vermeidungs-Mittel“, als dass ich sie als Kommunikations- und Kontaktmittel empfinde.
So bin ich immer wieder sehr gespalten, was Worte und Sprache anbelangt.

In der letzten Stillen Meditation „erhielt“ ich dann ein Bild, eine Idee:

Reden ist Silber

Reden ist silber

In vielen Bereichen ist und bleibt Sprache einfach unentbehrlich, auch in meiner Arbeit.
Dies würde ich als die männliche Qualität für Entwicklung bezeichnen. Sie ist eher digital, exakt, technisch. Für Technik, Forschung und für „gezielte Informationsübertragung“ bestens geeignet.

SEIN ist Gold

SEIN ist Gold

Wenn es um Begegnung, um Emotionalität, um innere Prozesse, um Verletzlichkeiten, um (kindliche) Strategien und Muster, um Vermeidung, um Ängste … geht, sobald also Emotionen und Gefühle mit hineinspielen, hilft die Sprache oft nicht nur nicht mehr weiter, sie verhindert und vermeidet sogar Wachstum, weil sie „Raum für Heilungspotenzial“ sehr leicht und schnell zerstören kann. Sie ist hier regelrecht „kontraindiziert“.
Hier geht es nur noch um´s einfach DA sein, um SEIN.
Dies würde ich als weibliche Qualität für Wachstum, Heilung und Begegnung bezeichnen.

Dass Sprache auch einen für emotionales Wachstum sehr förderlichen „weiblichen Anteil“ haben kann und Nichtreden auch in Form von Totschweigen seine Schattenseiten, bleibt davon unberührt.

Dann wäre nach diesem „Modell“ jetzt nur noch die Fähigkeit zu erlernen, das jeweils Richtige zum passenden Zeitpunkt wählen zu können.
Daran werde ich arbeiten 🙂