Wie geht gutes Wachstum? Das frage ich mich aufgrund eigener Prozesse, in denen meine alte Stabilität verloren geht, selbst immer wieder.
Bei Insekten gibt es zwei verschiedene Arten von Wachstum:
Ein kontinuierliches Wachstum, bei dem das junge Insekt dem ausgewachsenen Tier bereits relativ ähnlich sieht und im Laufe der Entwicklung nur an körperlicher Größe zunimmt und bestimmte Merkmale, z.B. die Flügel mehr und mehr ausbildet. Das ist bei den Heuschrecken so.
Dies nennt man in der Biologie „unvollkommene Verwandlung„. Obwohl ich bei dieser Art Wachstum für „Verwandlung“ eher das Wort „Veränderung“ wählen würde.
Dann gibt es wiederum Insekten, die haben eine „vollkommene Verwandlung„.
Hier kann man wirklich von Verwandlung, Metamorphose oder Transformation reden. Hier gibt es keine „jungen Tiere“.
Viele Menschen glauben zwar, sie hätten einen „jungen Marienkäfer“ gesehen, doch in Wirklichkeit war es nur eine andere, aber ähnliche und eben kleinere Art.
So gibt es auch keine „jungen Schmetterlinge“. Und das weiß nun wirklich jedes Kind:
Ein Schmetterling ist in „jungen Jahren“ eine Raupe. Sie hat keinerlei Ähnlichkeit mit dem Schmetterling selbst.
So ist es auch bei den Käfern, nur spricht man hier von „Larven“ statt von „Raupen“.
Mit den Schmetterlingsraupen passiert nun wirklich Unglaubliches, Wunderliches:
Ist es „soweit“, suchen sie unruhig nach einem Platz, an dem sie sich verpuppen können.
Dabei härtet eine äußere Schicht aus und bietet so eine Schutzhülle für das, was dann passiert.
Die einstmals vorhandene Raupe löst sich einfach völlig auf! Nichts von ihr ist mehr, wie es einst war. Sie wird innerhalb der Puppenhülle zu einer völlig strukturlosen und handlungsunfähigen „chaotischen Masse“. Schneidet man eine Puppe in diesem Stadium auf, läuft einem nur „Brühe“ entgegen. Und doch trägt die „Brühe“ ihre Bestimmung ganz klar eingeschrieben:
Eines schönen Tages wird sie nämlich zum prachtvollen Schmetterling, der seine enge Schützhülle verlässt, seine Flügel entfaltet und seinem Lebenals vollendetes Tier entgegenfliegt.
So stelle ich Vergleiche an:
Das körperliche, äußere Wachstum des Menschen ist „unvollkommen“. Es gibt „junge Menschen“. Sie sehen den Erwachsenen ähnlich und entwickeln im Laufe der Zeit nur bestimmte Merkmale heraus. Da wird das „Hänschen klein“ zum „Hans“. Äußerlich. Wie es im „Hans innen“ aussieht, ersieht man daraus nicht. So gibt es wohl viele „erwachsene Kinder“.
Beim seelischen Wachstum scheint es uns eher wie der Raupe und dem Schmetterling zu gehen. Die Verwandlung ist vollkommen:
Es gibt Zeiten, da zerfällt einem, durch äußere oder innere Einflüsse ausgelöst, alles im Leben. Alte Selbst- und Weltbilder lassen sich nicht mehr aufrecht erhalten, stürzen in sich zusammen. Das alte „Ich“ löst sich in ein formloses und unkontrollierbaresChaos auf. Nichts mehr ist, wie es einmal war.
Die gefräßige Raupe muss „sterben“, sie zerfließt in ihre „Grundbestandteile“ und fällt in einen Starrezustand.
Das durch Verletzungen bedürftig gebliebene und dadurch „unersättliche“ Innere Kind wird einem tiefen, völlig unwiderruflichen Transformationsprozess unterworfen. Das löst bei uns zu tiefste Ängste aus. Wir haben es nicht gelernt, uns solch gewaltigen Kräften – mindestens vergleichbar den Kräften, die bei einer Geburt wirken – vertrauensvoll hinzugeben. Und es bedarf liebevoller und intensiver Arbeit mit dem Inneren Kind, um da gut durchzugehen. Denn das Leben lässt nicht locker. Es will, dass wir zum Schmetterling werden.
Das nur durch die Puppenhülle geschützte, den äußeren Widrigkeiten ansonsten hilflos ausgesetzte „Wesen“ ist nun völlig inneren Prozessen überlassen. Sich hier wirklich den kosmischen Kräften hinzugeben und nicht dagegen anzukämpfen oder „anzuschieben“, ist eine große Herausforderung. Denn es stirbt wirklich etwas in uns. Für immer. Ein Teil Kindsein. Und ein guter Umgang mit dem Tod, sowohl dem physischen, als auch dem „Tod im Leben“ wird in unserer Kultur nicht vermittelt und gelehrt.
Und doch sind viele Menschen mit der Tatsache eines anstehenden „Todes im Leben“, eines tiefgreifenden Transformationsprozesses ganz konkret konfrontiert. Das Leben will, dass sie wachsen. Und Wachstum hat immer auch mit Sterben zu tun.
So wünsche ich uns allen, die in solche innere Wachstumsprozesse kommen, uns den kosmischen Kräften hingeben zu können und nicht dagegen ankämpfen zu müssen. Und Hilfe und Unterstützung von anderen Menschen und dem Kosmos.
Damit wir eines Tages als gesund entwickelte, prächtige Schmetterlinge unsere Schutzhülle verlassen und ins Leben fliegen.
Unsere wahre Bestimmung zu erfüllen.
Wunderschöne Gedanken zum Geschenk des WACHSTUMS, die Mut machen.
Hier ein Gedanke des indischen Dichters Tagore für alle, die (wie ich auch) oft gegen die kosmischen Kräfte ankämpfen, die uns oftmals mit Nachdruck an unsere Pflicht, unseren Auftrag zu wachsen erinnern:
„Ich schlief und träumte, das Leben wäre Freude. Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht. Ich handelte und siehe, die Pflicht war Freude.“
Im HANDELN liegt unser Auftrag. Wenn da nur unsere Trägheit nicht wäre.
Was uns aber immer wieder motivieren kann uns zu engagieren ist die Erkenntnis, dass die Natur, der Mensch durch und durch SINNDURCHWALTET sind. Überall begegnen wir in der Natur hochkomplexen geordneten Strukturen. Unter anderem denen, die unsere menschliche Spezies zum Geschenk des LEBENSLANGEN LERNENS, das mit Wachstum einhergeht, determinieren.
Ja, und dann ist da freilich noch das INNERE KIND. „Dein Kleiner braucht dich“, höre ich immer wieder vor meinem geistigen Ohr, als säße ich gerade bei dir, lieber Klaus, im Dobl. Das ist wirklich des Pudels Kern, denn auch der ganz oft tiefverletzte Kleine soll schlussendlich gedeihen und seine Wunden heilen dürfen. Dies ist ein langer Arbeits- und Lernprozess, der oftmals sehr sehr weh tut.
Aber gerade wir Männer müssen lernen, unseren Schmerz zuzulassen, JA zu sagen zu unserer Traurigkeit, unseren Ängsten – vor allem aber zu unserer lebenslanger Mission des Wachsens, Reifens und des lebenslangen Lernens.
Danke dir, lieber Klaus, für deine wertvollen Gedanken!!
Kai
Was Wachstumsaufgaben anbelangt, von denen wir wissen, dass es für uns wichtig wäre, dass wir uns ihnen stellen, die sich aber für uns unangenehm anfühlen und eventuell mit Schmerzen verbunden sind – ja, was diese „Heißen Eisen“ anbelangt, denke ich an einen schönen Satz von Klaus
„MACHE AUS JEDEM MÜSSEN EIN DÜRFEN“
Dies passt auch gut zu Tagores Aphorismus, dem du schon weiter oben begegnet bist:
„Ich schlief und träumte, das Leben wäre Freude. Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht. Ich handelte und siehe, die Pflicht war Freude.â€
Liebe Grüße
Kai
Dieser Beitrag hat mich förmlich angesprungen. Wahrscheinlich ist der Grund, dass ich gerade eine Kurtzgeschichte über einen Schmetterling schreibe. Die Geschichte hat den Namen, „Als ich noch eine Raupe war“. Dieser Beitrag hat meine Sicht der Dinge erweitert.Danke. Freundlich grüsst,
paul aus Berklingen.