In der Nacht vom 31.12.07 auf den 1.1.08 trifft wieder ein altes Jahr auf ein neues. Ein Mann trifft auf eine Frau, ein Lehrer auf Schüler, die Weißen treffen aufIndianer, Missionare auf Schwarze, ein Kind trifft auf einen Hund….
Was passiert in solchen Augenblicken, in denen zwei fremde Welten aufeinandertreffen?
Diese Fragen kamen mir heute morgen in den Sinn, als ich über den Jahreswechsel nachdachte.
Trifft das alte Jahr auf das Neue, treffen nur zwei willkürlich festgelegte Einheiten, nämlich in Jahre aufgeteilteZeitabschnitte aufeinander. Doch was verbinden wir als Menschen innerlich damit?
Was passiert, wenn zwei Menschen, zwei lebende Welten aufeinander treffen? Was „denkt“ das Gehirn, welche Gefühle löst die Begegnung in uns aus, wie reagiert der Körper? Und was bekommen wir davon überhaupt mit? Und was von der anderen Welt?
Wann treffe ich wirklich auf mich selbst, der „fremden Welt“ in mir? Wann begegne ich wirklich MIR SELBST? Was passiert dann? Woran erkenne ich es? Sofort frage ich mich, wer eigentlich bin denn ICH SELBST?
Die Fragen werden immer mehr und mein Gehirn scheint diesem Ansturm von Fragen nicht gewachsen zu sein. Zudem produziert es diese ja noch selbst! Wozu macht es das? Und schon wieder bin ich mitten drin in diesem Kreislauf von Fragen und Antworten. Scheinbar sinnlos.
Und doch schimmert manchmal bei Windstille durch die beruhigte Oberfläche dieses Meeres von Gedanken, Fragen und Antworten der Meeresgrund hindurch. Es ist mehr ein Erahnen, denn ein Erkennen, eine Mischung zwischen Wissen, Fühlen, Erfahrung und Intuition.
Dann meine ich etwas auf dem Grunde zu sehen:
als Menschen sind wir in der Begegnung mit einer anderen Welt, sei es nun ein anderer Mensch, ein anderes Land oder wie jetzt ein Neues Jahr, ständig von Wünschen, Sehnsüchten, Forderungen, Vorstellungen, Ängsten, Projektionen, Interpretationen…begleitet, die es uns fast unmöglich machen, die andere Welt, die anderen Menschen so zu lassen, wie sie sind. Sie so zu erleben und sie genauso zu genießen. Es ist fast unmöglich für uns, sie so fremd und völlig anders sein zu lassen, sie nicht mit „Harmonisierungs- und Missionierungsbestrebungen“ zu überprägen und letztlich zu ersticken. Wir wollen „vertraut“ mit ihnen werden, indem wir versuchen, unser Weltbild auf sie zu projezieren. Bis nichts mehr vonden fremden Weltenübrig ist. Statt sie „fremd“ sein zu lassen.
WIE fremd diese andere Welt in Wirklichkeit oft ist, wie unergründbar, wie unfassbar, wie sehr viel anders als wir erwarten, meinen und fühlen, wird uns oft erst bewusst, wenn Probleme auftauchen. Zum Beispiel, wenn ein Paar sich trennt. Und wie groß ist dann der Schock, die andere Welt wieder als so anders und fremd zu erkennen. Als das, was uns zu Beginn der Beziehung so faszinierte.
„Das hätte ich nicht von Dir gedacht!“ sage ich dann mit Schrecken über eine „plötzliche Erkenntnis“ über den anderen. Ja, und genau das ist das Problem, dass ich eben nur das über den anderen dachte, was ich denken wollte. Das andere ging irgendwie in mir verloren oder erreichte mich erst gar nie. Wie unglaublich schade!
Ja, die Begegnung eines kleinen Kindes mit einem Hund mag da wirklich noch anders sein: unbedarft, neugierig, unvoreingenommen, erforschen wollend, berühren wollend, offen, „leicht-sinnig“…! Wie schön! Wie einfach! Wie lebendig! Keiner der beiden versucht, den anderen zu verändern – und trotzdem gehen beide ein wenig verändert und reicher aus der Begegnung heraus.
Ichwünsche uns, dem Neuen Jahr mit kindlicher Unbedarftheit, Neugier, Offenheit und Freude begegnen zu können. Und auch den Menschen, die dieses Jahr unsere Wege kreuzen werden. Ohne etwas verändern zu müssen – außer uns selbst, wenn wir es denn wollen.
EinGUTES NEUES JAHRvoll reicher Begegnungen mit fremden Welten!
Hallo Herr Eisenreich,
ich habe ja schon in einer Mail geschrieben, dass mich dieses Bild mit der Hadersau sehr stark zum Nachdenken gebracht hat. Der sichtbare Teil des Baumschwammes ist ja nur ein kleiner Teil des Lebewesens. Mit seinem Mycelgeflecht durchdringt er wie mit Wurzeln den ganzen „absterbenden?“ Baum. Der Fruchtkörper allein ist nicht lebensfähig. In einer Partnerkrise und nach Überwindung einer schweren Erkrankung hat mich dieses Bild im Zusammenhang zum Text zuerst eher schockiert. Nach langen Wanderungen mit allen Sinnen jetzt aber angeregt und inspiriert.
Ist nicht unser aller Leben ein ständiges Werden und Vergehen? Niemand ist eine Insel. Wir alle, Menschen, Tiere und Pflanzen sind ständig in die uns umgebende Natur eingebunden. Wir begegnen ständig „fremden Welten“. Es liegt an uns, wieweit wir uns darauf einlassen. Wie stark wir uns von diesen fremden Welten durchdringen lassen. Bei einer Wanderung zu den Quellen von Schwarzach und Radbuza habe ich durch Ihre Inspiration soviele Beispiele gesehen, wie sich Lebewesen ständig ergänzen und voneinander leben. Wie wunderbar doch der Naturkreislauf ist, an dem wir oft so achtlos vorbeigehen. Und irgendwie findet die Natur immer wieder einen Weg. Auf dem steilen Weg zur Ruine Alt Hirschstein sah ich auch ein gutes Beispiel, wie sich ein Lebewesen mit festem Willen, mit Unterstützung anderer, vor allem aber mit viel Licht und Sonne wieder dem Leben zuwendet. Der mittlere Baum einer Dreiergruppe ist wohl vor vielen Jahren beinahe vom Schnee umgedrückt worden. Gestützt durch die zwei anderen – die zwar dadurch auch in Schieflage gekommen sind – wurde er nicht ganz umgedrückt, aber stark gebeugt. Mit festem Lebenswillen ist er wieder der Sonne entgegengewachsen. In vielen Jahren ist der Baum wieder stattlich in die Senkrechte gewachsen. Er gibt seine Lebenskraft auch an die stützenden Bäume weiter. Miteinander sind sie stark.
Vielen Dank für Ihre bisherige Unterstützung.
Ich hoffe, dass sie fit sind für ein Gutes Neues Jahr mit reichen Begegnungen mit fremden Welten
Viele Grüße
Rudi Simeth
Ich sende Ihnen in einer Mail dieses Lebensbeispiel.