Die Erlebnisse mit Männern die letzten Wochen haben sehr an mir gerüttelt. Und alte, längst vergessen geglaubte Gefühle von Verachtung heraufbefördert. Ich war erschrocken und entsetzt über mich selbst. Ich spürte, wie tief meine Verachtung Männern gegenüber ist. Hatte ich schon bei Frauen vor vielen Jahren tiefe Verachtung voller Schrecken in mir gespürt, dachte ich nun doch nicht, dass ich sie auch bei Männern hätte. Mit Hilfe eines Freundes wurde ich mir ein großes Stück klarer über Herkunft und Hintergrund dieser Männerverachtung.

Ich bin seit einiger Zeit intensiv auf der Suche nach Kontakt mit Männern. Ich meine jetzt nicht diesen Small Talk über Autos, Fußball, Politik…, sondern eine Begegnung zwischen Männern, die Gefühle zeigen, „auf dem Weg sind“, offen sind, es ernst meinen…Und ich erlebte aus meiner subjektiven Sicht die letzte Zeit fast nur Enttäuschungen: es ist kein Verlass auf „die Männer“, die wollen sich nicht entscheiden, die zeigen sich nicht, die lassen sich alle Eventualitäten offen und binden sich nicht, wollen sich nicht wirklich einlassen…
Die Erlebnisse reichten aus, um dieses Gefühl von Verachtung wieder „zum Leben zu erwecken“. „Männer sind Schlappschwänze, hängen an Mamas Rockzipfel, lassen einen ohne Skrupel sitzen, sind völlig unzuverlässig, sind emotionale Sparschweine…“! All diese Attribute, die ich schon mal über Männer gehört hatte, entwanden sich ganz plötzlich irgendwelcher versteckter Hirnwindungen in mir.
„Ja, und es stimmt, genauso ist es“, wollte ein Teil in mir Genugtuung für meine tiefen Enttäuschungen.

Auf einem Kongreß über die Liebe referierte ein bekannter Buchautor und Mann, der schon lange mit Männergruppen arbeitet, über das Thema „Wie Männer lieben“. Er erhielt „standing Ovations“ – von den Frauen! Die Männer – auch ich irgendwann – sind im Laufe des Vortrages immer ruhiger geworden. Der Referent war wirklich köstlich in seinem Witz. Doch er machte sich auf Kosten der Männer bei den Frauen beliebt, indem er ihnen bzgl. ihrer frustrierenden Erfahrungen mit Männern „aus dem Herzen sprach“ – mit allen Abwertungen, die manchen Frauen über Männern auf den Lippen liegen.Nach dem Vortrag standen um die Referentin, die über „Wie Frauen lieben“ gesprochen hatte, eine Menge Frauen. Und um den Referenten – auch lauter Frauen! Ich musste mich sehr bemühen, zu ihm zu gelangen. Ein Therapeut sagte ihm, vielleicht könnte er mittels einer Aufstellung aufhören, an der Seite seiner Mutter gegen die Männer zu kämpfen.

Ich wollte es aus meinen kürzlichen Männererlebnissen heraus nicht wahrhaben, doch ich fand mich genau in diesem Verhalten wieder: ich begann aus der inneren Solidarisierung mit den Frauen gegen die Männer zu kämpfen, sie abzuwerten, so wie ich als Sohn an der Seite meiner Mutter gegen meinen Vater kämpfte und auch ihre Verachtung ihm gegenüber übernahm. Es war vielleicht die einzige Chance, emotionale Zuwendung von ihr zu erhalten. Mein Vater war sowieso unerreichbar für mich.
Und es gab/gibt da aber auch einen Teil in mir, der unabhängig von meiner Mutter Verachtung meinem Vater gegenüber entwickelt hatte: weil er mich alleine gelassen hat, weil er der Frau das „emotionale Schlachtfeld“ kampflos überlassen hatte, ich mich auf ihn nicht verlassen konnte, er mich nicht wirklich mitnahm…wohin auch immer.

Ich habe schon seit längerer Zeit Frieden mit meinen Eltern gefunden. Und doch tauchen in entsprechenden Situationen immer wieder alte Gefühle in mir auf, die nur zu meinen Eltern gehören. Als Kind und Junge konnte ich naturlich nicht „akzeptieren“, dass meine Eltern mir nicht gaben, was ich „von Natur aus“ brauchte und erwartete. War ich doch völlig abhängig von ihnen.
Doch jetzt als erwachsener Mann bin ich äußerlich unabhängig und kann es: akzeptieren, dass mir der eine oder andere Mann einfach das nicht geben kann und auch nicht muss, was ich mir so sehr von meinem Vater wünschte: Nähe, Annahme, (Be-)Achtung, Offenheit, Ehrlichkeit, Liebe…
Und es ist ein Geschenk, wenn ich es ab und an doch erhalte. Meist, wenn ich es geschafft habe, mir es selbst zu geben.

Den Männern, denen ich in meiner inneren Not etwas abverlangen wollte und sie innerlich abwertete, sage ich: „Es tut mir leid.“ Denen, die mir das Geschenk von wirklicher Nähe gaben: „Danke“
Ich habe ein Stück gelernt, zu akzeptieren. Und die Männer wieder mehr zu achten. Weiß ich doch aus eigener Erfahrung sehr gut, dass jeder Mann seinen eigenen Weg und seine eigene Geschwindigkeit hat. Und wie verdammt schwer es ist, sich darin selbst auszuhalten. Und wie oft hab ich mich nach einem wohlwollenden, „alten weisen Mann“, diesem Archetypen des Großväterlichen,gesehnt, der mich – im Grund meinen kleinen Jungen – trotz aller „Mängel“ so akzeptiert und annimmt, wie ich bin.

Mich dort abholt,wo ich gerade bin!Und mich führt.Tom der Fährmann

Wenn ICH soweit bin.